Wieder „allein“ und unterwegs. Nach zwölf Tagen in so netter Gesellschaft in einem komfortablen Steinhaus, gewöhnen wir uns dennoch schnell wieder an unser Leben zu zweit im Auto. Am Neujahrsabend, nachdem wir unsere Freunde am Flughafen in Malaga abgesetzt haben, finden wir am südlichen Stadtrand, fast in der Einflugschneise, einen Strandparkplatz, auf dem wir die erste Nacht des neuen Jahres verbringen.
Wir wollen für die nächsten Tage dem Mittelmeer den Rücken kehren und ins bergige Hinterland der Costa del Sol fahren. Den Vormittag nutzen wir, unsere Vorräte aufzufüllen, finden nur leider keine Tankstelle, um unsere leere Gasflasche zu tauschen. In der Hoffnung, daß die Bergnächte nicht allzu kalt werden (was sich als großer Irrtum herausstellen wird) und sich eine Tauschmöglichkeit finden wird, biegen wir bei Marbella nach Norden in die Berge ab. Es geht steil bergauf bis auf über 1000 Meter Höhe mit herrlichen Aussichten auf die Küste und über den Felsen von Gibraltar hinweg auf das Atlasgebirge in Marokko. Leider gibt es an der Passstraße nur wenige Halte-Möglichkeiten, um den Ausblick zu genießen und zu fotografieren.
Nach unzähligen Kurven erreichen wir Ronda, um hier, auf der Suche nach einem Platz für die Nacht, noch ein bißchen durch die Außenbezirke der Stadt zu kurven. Es sieht nicht gut aus: kaum eine ebene Fläche und wenn, dann riecht und sieht man die Nutzung als Hunde-Toilette. Zu guter Letzt entscheiden wir uns für den Bahnhofsparkplatz, hier stehen wir einigermaßen gerade und wahrscheinlich gratis, falls nicht Heinzelmännchen über Nacht die abgebrochene Schranke reparieren sollten.
Wir kramen unsere Winterjacken hervor, denn wir merken, daß wir auf über 700 Metern Höhe sind und der Sonnenschein den Temperaturunterschied zur Küste nicht kaschieren kann. Durch weihnachtlich dekorierte Straßen gehen wir Richtung Zentrum und Sehenswürdigkeiten.
Einschub: Straßen und Häuser sind in Spanien immer noch im Weihnachtsschmuck, die Geschäfte voll und große Tüten mit Geschenken werden durch die Gassen geschleppt. Der Grund ist einfach: Bescherung ist erst am 6. Januar, bzw. am Abend zuvor, denn die Geschenke bringen hier nicht Christkind oder Weihnachtsmann, sondern (irgendwie logisch) die Heiligen Drei Könige.
In Ronda zeigen sich, wie in so vielen spanischen Städten, die Spuren wechselnder Herrschaft von den Römern über die Mauren und die Reconquista bis zu Napoleon (dessen Leistung allerdings nur das Sprengen von Burg und Stadtmauer war). Außergewöhnlich ist jedoch die Lage der Stadt: die ehemals maurische Altstadt liegt auf einem hohen Felsplateau, von den „neueren“ Stadtteilen durch eine hundert Meter tiefe Schlucht, die Tajo de Ronda, getrennt, die von drei Brücken aus unterschiedlichen Epochen überwunden wird.
In Andalusien scheint sich eine umstrittene Tradition Spaniens (umstritten allerdings vor allem im Ausland) in der Bevölkerung noch größter Beliebtheit zu erfreuen: der Stierkampf. Erst letzte Woche fluchte unser Taxifahrer in Benalmádena, als wir die dortige Stierkampfarena passierten, über seinen Bürgermeister, der diese geschlossen hatte – wegen der Touristen, gegen den Willen der Bevölkerung. In diesem tiefverwurzelten Brauchtum hat die Stadt Ronda große Bedeutung, denn der moderne Stierkampf (der „tänzelnde“ Torero mit dem roten Tuch) hat hier seine Wurzeln, im 18. und 19. Jahrhundert wurde die „Escuela Rondeña“ entwickelt. Skulpturen vor der Arena erinnern daran.
So weit so schön unser Tag und Besuch in dieser Stadt. An die Nacht denken wir schon heute nur ungern zurück. Denn es war nicht nur laut (späte lärmende Jugend und früher Zugverkehr sind an einem Bahnhof ja nicht unbedingt überraschend), sondern vor allem: kalt. Unsere Heizung versagt den Dienst, die Umwälzpumpe weigert sich, die wärmende Heiz-Flüssigkeit im Auto zu verteilen. Da ich, trotz stundenlanger Suche, die Ursache nicht finden kann, bibbern wir uns, in dicke Decken gehüllt, durch die Nacht. Die Morgensonne wird’s schon richten…